Quacksalber gibt es genug. Heilsversprecher, Glücksgaranten, Versprechungskünstler, schlichtweg eine mannigfaltig kunterbunte Scharlanterie. So auch in der Schuhindustrie. Und vor allem beim Handel mit Kinderschuhen.
Nur nennt man das heute: marketing.
Ich komme gerade von einem Strandspaziergang. Die Nebenhöhlen werden nicht frei, der Hals, die Kehle, Kehlkopf bis zum Mageneingang entzündet. Herz/Kreislauf, nach 9 Monaten mit zwei/drei Stunden Schlaf pro Nacht, eher pro Tag, bei täglichen 30 Stresszigaretten, kein Atem, keine Luft, keine Kraft, keine Bewegung, Kortison und allerlei Antibiotika, Ende 50, was soll ich sagen: Ich bin ein klitzekleiner Arsch vor dem Herrn und dankbar, dass ich hier noch ein wenig die Weite des Meeres erfahren darf, das Rauschen der Wellen, die Wärme der untergehende Sonne. Bevor das System „Klaus“ gänzlich umkippt.
Also, warum in drei Teufelsnamen soll ich einen Blog über „Kinderschuhe“ beginnen und mich mit der Hälfte der Branche anlegen?
Ein Blog soll ja einen Mehrwert für die Leserschaft bieten. Hab ich so gelesen. Hab ich denn nicht in den letzten 25 Jahren genug auf Knien rutschend einen Mehrwert erschaffen, mir den Rest meines Immunsystems ruiniert und damit einhergehend mich auch finanziell schlicht ausgeblutet, nur damit die Kinder ordentliches Schuhwerk an die Füße bekommen? Corona und die Schließungen zeigten – Respekt ist Ansichtssache, Dank ist nicht zu erwarten. Von einigen Wenigen, ja gut. Und nicht nur die, die ich illegal, durch die Hintertüre in den Laden ließ, um zu checken, was für Schuhe ihre Lieben brauchen.
Zudem, wenn ich aus meinem Herzen und meiner Lebenserfahrung hinaus in die imaginäre deutsche Elternwelt blicke: Einem Großteil geht das Thema Kinderschuhe eh am Allerwertesten vorbei. Schließlich wird das gekauft, was angesagt ist. Ob das nun passt oder nicht. Sollen sich nicht so anstellen. Oder haben etwa Ende des 19 Jahrhunderts die Kinder groß aufbegehrt, als sie in enge Mädchenkostümchen oder propere Matrosenanzüge gesteckt wurden? Die Hauptsache es sieht gut aus und die deutsche Familie spiegelt den erwünschten Eindruck.Und hierbei spreche ich vom Markenwahnsinn, von Nike bis Wildlinge, ihr Lieben! Solcherlei beschränkt sich nicht nur auf unser RTL2 Publikum.
Dann gibt es bei den Eltern stets die Beschäftigten. Im Grunde immer auf der Hatz, in Hetze mit schlechtem Gewissen, eigentlich wollte man es doch besser machen, als selbst erfahren. Aber wer Kinder hat und nicht zu dem Teil der Vielbesitzenden gehört, weiß, wie viel Informationen und Arbeit das Aufwachsen der Kinder in unserer Gesellschaft bedeutet.
Und es sind stets Jene, die zu uns in den Laden kommen, sich setzen und erst einmal tief durchatmend die Verantwortung bereitwillig an uns, dem letzten Fachhandel abgeben – macht mal. Zumindest ist dann das Thema neue Kinderschuhe für die nächsten Monate abgehakt. Und weiter geht’s.
Dann kenne ich allzu gut, die Wissenden. Die Aufgeklärten. Die Informierten. Dank der digitalen bubbles, gemixt zum Teil mit eigener Ausbildung, z.B. zum Physio oder energetischen Farbberatung, begegnen mir diese Menschen stets mit der wirklichen, selbstverwirklichten Wahrheit. Während ich ja nur die Meinung eines begierigen Händlers vorzuweisen habe. Dieses Verbohrtsein kann so weit gehen, dass Kinder in 4 Größen zu großen Schuhen vor sich hinstolpern, weil das großartige 12+4 Gerät das so gemessen hat. Und nichts, aber auch gar nichts kann diese eingemeiselte Wahrheit erschüttern. Auch keine aufgeschürften Knie.
Also warum gehe ich nach dem Essen nicht ganz einfach an die Poolbar und versaufe mein restliches Geld?

Wem schulde ich hier noch etwas? Und käme eine Information als Mehrwert überhaupt noch bei einer geneigten Leserschaft an? Bei diesem Strudel an Wahrheiten in unserer digitalen Kläranlage.
Ich glaube eher nicht.
Die cleveren brands überschütten uns schon jetzt mit jede Menge Clips und reels, über Instagramm und Co. Und erklären die wirklich wichtigen Dinge über ihre Kinderschuhe. Greenwashing und brainwashing - Und ja, es steckt sehr häufig auch 2 bis drei Körner Wahrheiten in ihren Aussagen. Aber zum Einem ist es auch interessant, was sie eben nicht sagen, bzw. geflissentlich verschweigen. Zum Anderen werden Informationen, die nicht in die eigene Lebenswirklichkeit übertragen werden können einfach nur buntes flimmerndes Rauschen. Und am Ende zählt dann entweder der übliche Gruppenzwang, oder wieder nur noch der rote Kleber mit 49,95€, der tatsächlich direkt und unvermittelt unser Stammeshirn erreicht.
Ich habe in den vergangenen 25 Jahren rund 10 Tsd Kinderschuhe verkauft, eigenhändig, auf den Knien, auf dem Boden rutschend, am Fuß des Kindes angezogen, gecheckt und ab geht die Post. Ich kenne den Großteil der Firmen und ihre Besonderheiten und die unglaubliche Fülle an Eigenarten, die die Füße und die individuellen Kinderwirklichkeiten bereithalten und mich immer noch ins verblüffte Staunen versetzen können. Und selbstverständlich habe auch ich Schrott gemessen und Unsinn verkauft. Jeder einzelne Fall verblieb als Stachel in meiner Selbstgefälligkeit, der beste Schuhverkäufer, westlich des Rio Grandes zu sein.
Aber bin ich wirklich die Person, die sich nun bemächtigt fühlen darf, einen Blog über Kinderschuhe zu schreiben?
Da fällt mir ein Verbandstreffen ein, das dann doch nicht stattfinden konnte, in dessen Programm eine Zertifizierung zum Barfußschuhhändler hätte erfolgen sollen. Man sollte dabei wissen, dass der Begriff des Barfußschuhes so wirklich richtig gar nicht geklärt ist. Gut, Nullerabsatz, Zehenfreiraum, aber dann wird es schon recht schwammig. Wie dünn muss eine Laufsohle sein, um den natürlichen Bewegungsablauf nicht zu stören? Was ist mit einer Zehenkappe, einer Fersenkappe, für mehr Halt – schlicht ein fließender Übergang zu den sogenannten „Minimalschuhen“. Das ist ja alles gut so, wenn man a) darüber Bescheid weiß und b) die Lebenswirklichkeit des jeweiligen Kindes nicht aus den Augen verliert.
Aber daß sich so ein Hansel berufen fühlt über dieses Thema „Zertifikate“ zu verteilen, treibt mich wieder ganz eindeutig hin zur inzwischen überfüllten Poolbar.
Ich habe einfach keine Lust mehr an diesen Spielchen teilzuhaben. Das bringt mir nix, das bringt der imaginären Elternwelt nichts.
Ich bin seit Jahren krank, habe ich das hier schon mal erwähnt? Ende 50, bis in die letzte Zelle erschöpft, in wenigen Monaten nahezu pleite und habe 104 Nächte auf den Kanaren, um Atem zu tanken, mich in Bewegung zu bringen und neuen Lebensmut zu schöpfen.
Und natürlich will ich mehr als einen blöden Blog eines weiteren Scharlatans, Meinungsmachers, Influenzers, trallalla. Die Welt ist so schön bunt hier auf Instagramm, oder TikTok oder, was weiß der Himmel wo. Aber ich, ich weiß Bescheid, ich habe die Wahrheit, follow me.
Im Grunde genommen kann ich das, was wirklich Sinn machen würde mit meiner vorhandenen Lebensenergie gar nicht leisten. Ich will eine Art Eltern/Kinderschuh Portal. Gespickt mit Grundsatzinformationen als Groborientierung in Bezug auf Lebensalter, Wachstum, Passformen. Firmen und Leistenformen, Materialien, Macharten mit ihren Vor und Nachteilen. Firmenprofile und Neuheiten. Am liebsten auch noch eine Art Fachhandelsregister. Gerade in der Click und Buy Zeit 2020/21 hatte ich so viele Telefonate mit Eltern auf dem Lande, die schlicht nicht wussten, wo es überhaupt noch etwas zu kaufen, wo sie wenigstens etwas Beratung finden konnten. Und dann, zu guter letzt, und für mich eigentlich das Wichtigste, ein Forum für Eltern, bei dem Erfahrungen, Meinungen, Fragen und fachliche Antworten ausgetauscht werden können. Anders als in der Schule und inzwischen auch anders als in der Uni: der Fachhandel, wir Fachhändler leben und lernen vom feedback der Eltern. Natürlich ist jedes Kind anders, aber es ergeben sich eben Schnittmengen, die so, als Informationen gesammelt zum Fachhandel gelangen und beim nächsten Einkauf auch berücksichtigt werden.
Also Feedback, spätestens das aufzufangende feedback sprengt natürlich den Rahmen eines normalen Blogs. Und den meiner Kräfte.
So sitze ich also hier auf Fuerteventura, im Rentnerparadies zwischen all den Urlaubern und habe mich entschlossen, mal wieder in meinem Leben etwas zu tun, was man so eigentlich nicht tun sollte. Ich mache mein Schreibheilverfahren, das mich schon in vergangenen Zeiten über Wasser halten konnte, öffentlich. Und ich schreibe über meine Erfahrungen und Gedanken über Kinderschuhe und den Handel, öffentlich. Warum? Im Grunde meines Herzens ganz einfach: Ich habe nichts mehr zu verlieren und bin ratloser denn je. Und ich werde Hilfe brauchen. Oho, ein Satz, der mir beim Tippen nahezu die Finger bricht. Aber das ist meine Wirklichkeit. Ich kann weder meine gesundheitliche Abwärtsspirale, noch meinen Wunsch nach einem Kinderschuhportal alleine lösen, bzw. bewältigen.
Was den Mehrwert für eine mögliche Leserschaft anbelangt?
Da habe ich genug Selbstbewußtsein und kann so einiges versprechen:
Es wird ein Reisetagebuch mit Impressionen, Kurzgeschichten, Meinungen, Gestammel und allerlei Ungereimtheiten. Einen Lacher pro Tag, ein Kopfschütteln, wie blöde mensch doch sein kann, und da es ja ein komplett offenes Projekt ist, stets die spannende Frage: Na? Geht er endlich ins Meer? Kommt er als Nachtportier in irgendeinem heruntergekommenen Hotel unter? Verkauft er am Ende gar grausige Birkenstock an überschminkte britische Touristinnen? Hier sitzen Sie in erster Reihe!
Ausgesucht, angepasst und ab geht die Post.
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